Am Fest Mariä Geburt am 8. September blicke ich auf 60 Jahre Ordensleben auf den Spuren von Charles de Foucauld zurück.
Es ist ein Jahrestag, von dem ich nicht gedacht hatte, dass ich ihn noch erleben würde. Ein Geschenk des Herrn, der mich einlädt, für mein Leben zu danken, in dem es auch viele Prüfungen zu bestehen gab. Es ist für mich ein Anlass, mich an all das zu erinnern, was ich erlebt habe…

Oft war für mich in diesen 60 Jahren die Gegenwart der Liebe Gottes spürbar. Er handelt immer wieder neu in meinem Leben und zeigt mir den Weg, auf dem ich seinem Ruf bis zu meinem Lebensende folgen kann.

Eine frühe Liebesgeschichte

Diesen Ruf habe ich schon als kleines Kind gespürt. Eines Tages hat mich die zärtliche Liebe des himmlischen Vaters wie ein Blitz getroffen und sich in meinem Herzen für immer eingeschrieben. Die unendliche Liebe Jesu hatte sich mir gezeigt und so habe ich am Tag meiner Erstkommunion Jesus meine Antwort gegeben und mich in der Tiefe meines Herzens für immer an ihn gebunden. In den Stürmen meines Lebens ist dieses Versprechen der rote Faden geblieben, der mich in den Lebensentscheidungen meiner Jugend geleitet hat, der mich bereit machte, die Freiheit zu wahren und zu diesem ersten Ruf “Ja” zu sagen.

Durch mein Leben Seine Liebe verkünden – in Afrika und Madagaskar

Mit 25 Jahren bin ich bei den Kleinen Schwestern Jesu eingetreten, später dann – als sie gegründet wurden – bei den Kleinen Schwestern vom Evangelium. “Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat” (Ps 103,2) – so singt mein Herz, wenn ich an die vielen Jahre denke, die ich in Gemeinschaft mit meinen Schwestern für Jesus gelebt habe, inmitten meiner von der Welt oft vergessenen Brüder und Schwestern in Afrika und Madagaskar: bei den Pygmäen, den Menschen im Busch, den Armen in den Slums von Mosambik und Antananarivo, der Hauptstadt von Madagaskar. Ich sehe immer noch die Gesichter der Kinder, die nach Leben hungern, der Erwachsenen, der Frauen, der Alten, die vom Schicksal des Leides und der Armut gezeichnet sind. Es sind Menschen mit offenen Herzen und vielleicht können sie eines Tages das Evangelium kennen lernen und die Freude der Begegnung mit dem himmlischen Vater erleben.

Warum haben sich unsere Wege gekreuzt? Wollte Gott ihnen durch mich seine Liebe zeigen und sollte ich IHN in ihnen entdecken? Ein Abschnitt aus dem Ersten Johannesbrief zeigt dies für mich ganz deutlich: “Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens. (…) Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt.” (1 Joh, 1, 1.3) Ja, in der Betrachtung und im Gebet habe ich seine Liebe für jeden Menschen spüren können und so wollte ich durch mein ganzes Leben IHN bei all den vergessenen und benachteiligten Menschen bezeugen und verkündigen.

Die Sehnsucht brennt noch immer

Nach 45 Jahre in Afrika und in Magadaskar lebe ich nun mein Leben als Kleine Schwester vom Evangelium in einem kleinen Weindorf in Südfrankreich. Immer noch verspüre ich die gleiche Sehnsucht, seine Liebe zu verkündigen. Ich teile mein Leben vor allem mit von ihrem Alter gezeichneten und einsamen Menschen.
In ihrer Einsamkeit brauchen sie so sehr den Lichtstrahl eines Besuches, eines Menschen, der ihre Freude und ihr Leiden teilt, selbst wenn ich vielleicht aus einem anderen Lebensumfeld komme, oder sie meinen Glauben nicht teilen.

In ihren Augen lese ich oft die große Frage dieses Lebensabschnittes: “Warum bin ich noch auf der Welt? Was wird nach diesem Leben sein? Werde ich meine Lieben wiedersehen?”

Auch ich warte auf diese endgültige Begegnung mit dem Herrn in seinem ewigen Licht, bei der ich für immer in den Lobgesang Marias und aller Heiligen einstimmen werde: “Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter.”

Allen jungen Menschen, die Gott ruft, möchte ich folgendes sagen:

“Wenn Gott dich als Ordensfrau oder Ordensmann in den Dienst für sein Reich ruft, dann lass dich jeden Tag vom Heiligen Geist neu führen. Fürchte dich nicht, geh deinen Weg im Vertrauen. Der Herr möchte sein Werk mit dir und in dir vollbringen. Antworte in Freiheit auf seinen Ruf und vertraue auf die Aufgabe, die er dir in seiner Kirche gibt. So wird dein Weg mit Jesus ein Weg des Lebens für deine Schwestern und Brüder werden.”