Als Kleine Schwestern leitet uns die tiefe Überzeugung, dass jeder Mensch für Gott wertvoll und wichtig ist. Es gibt keine Menschen zweiter Klasse, Menschen, die weniger wichtig sind. Dies ist für uns eine ganz zentrale Botschaft des Evangeliums. Oft wendet sich Jesus sogar insbesondere den Menschen zu, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden oder als unnütz oder störend abgestempelt werden.

Wir versuchen, in unserem Leben etwas von dieser unbedingten Liebe aufscheinen zu lassen. Die Aufmerksamkeit für die Person, für die Menschen, denen wir begegnen dürfen, ist für uns ganz wichtig: Hinhören, da sein, ganz Ohr sein. Wir sind zutiefst überzeugt, dass jeder und jede eine unverwechselbare Würde besitzt.

Immer wieder melden uns Menschen zurück, dass sie im Umgang mit uns spüren durften, wie wichtig sie sind. Oft haben wir dabei keine Lösungen für ihre Probleme (weder eine Wohnung, noch eine Arbeit, noch eine Aufenthaltsberechtigung, und auch keinen einfachen Ausweg aus den schwierigen Familienverhältnissen…) – da gilt es, viel Ohnmacht aushalten zu müssen und dennoch, von Hoffnung getragen, einen Weg in die Zukunft zu ertasten. Aber ebenso wichtig wie eine Lösung zu suchen, ist die Hinwendung zum Menschen, die Beziehung, das ehrliche Interesse an der anderen Person.

Mehrere Kleine Schwestern versuchen ihre Erfahrungen in Worte zu fassen:

” Was mich an der Gemeinschaft der Kleinen Schwestern angesprochen hat, war nicht in erster Linie die Verkündigung des Evangeliums. Es war vielmehr die Entdeckung von Jesus von Nazareth, in seiner Schlichtheit und Demut, seiner Nähe zu den Armen und den scheinbar unbedeutenden Menschen bis dahin, dass er selbst einer von ihnen geworden ist.”

” Jede Person, der wir begegnen, als Geschenk ansehen, das Gott in unsere Hände legt. Das ermöglicht, einander in der Tiefe unserer Herzen zu begegnen:
* wo wir gemeinsam entdecken können, wie sehr wir uns danach sehnen, ehrlich geliebt zu werden und zu lieben.
* wo der und die andere uns bereichert und wir die anderen bereichern dürfen
* wo wir die Gegenwart unseres Schöpfers erahnen, der die Quelle der Würde eines jeden Menschen ist
* wo unsere Schwächen keine Hindernisse sind, sondern Weg ein zum gemeinsamen Wachsen, in der einen großen Menschheitsfamilie.

Wir sind dafür geschaffen, zusammen zu leben. Wie wichtig ist es da:
*Brücken zueinander zu bauen
* zu lernen, uns in unserer Verschiedenheit zu begegnen: aus unterschiedlichen Milieus, Religionen, Völkern…
* Beziehung zu wagen zwischen Menschen, die an den Rand gedrängt werden, und jenen, die „dazugehören“

” Mit meinem Engagement bei der örtlichen Caritas kann ich manchmal so wenig tun für die Leute, die auf der Straße leben. Aber es ist wichtig, die Menschen nicht zunächst als Probleme anzusehen, sondern als Schwestern und Brüder, die auf Begegnung warten, auf ein offenes Ohr, ein liebendes Wort.“

” ‘Evangelisierung’ kann manchmal durch sehr einfache Dinge geschehen. So mussten wir uns im Gefängnis um Gebete und Gottesdienste kümmern, einen Priester für die Feier der Sakramente finden etc. Aber genauso wichtig war es in einem konkreten Fall, Nachrichten von dem Hund zu haben, der nach der Festnahme bei einem Nachbarn geblieben war, so dass der Gefangene beruhigt sein konnte. Ich erinnere mich auch daran, wie ein anderer Gefangener mir nach Jahren noch erzählte, wie eine Kleine Schwester ihm Batterien für sein Radio mitgebracht hatte, nachdem es im Gefängnis keine mehr gab. Natürlich geht es darum, Seelsorgerin für die Gefangenen zu sein, aber noch mehr geht es darum, ihnen Schwester zu werden.“

Im gemeinsamen Unterwegssein versuchen wir, Wege zu ertasten, die dem anderen, der anderen ermöglichen, sich aufzurichten, auf eigenen Füßen zu stehen, die eigene Würde wiederzuentdecken.